Wir nähern uns in großen Schritten dem Michaeli-Fest – ein Zeitpunkt im Jahreslauf, der mehr Bedeutung für unser Menschsein hat, als uns vielleicht häufig bewusst ist.
Das Michaelifest geht auf die Stelle im neuen Testament zurück, in welcher der Erzengel Michael zusammen mit seinen Engeln den Drachen (dort auch Schlange oder Satan genannt) aus dem Himmel verstößt, weil dieser sich erhebt, Gott gleich werden zu wollen. Ein schwieriger Kampf geht voraus und Michael gelingt der Sieg mit seinem Schwert letztendlich nur durch das Aufbringen von großem Mut.
In vielen Kulturen ranken sich Legenden und unterschiedliche Versionen dieses Geschehens um das Michaelsfest – doch die Essenz bleibt immer dieselbe: durch die Verstoßung des Satans (Erzengel Satanael) auf die Erde wird der Mensch in neuer Weise dem Wechselspiel von ahrimanischen und luziferischen Kräften ausgesetzt und bekommt somit die Aufgabe, sich diesen Einflüssen zu erwehren.
Das Michaelifest liegt in der Zeit des Sternzeichen Waage – auch hier geht es um das Finden eines Gleichgewichtes gegensätzlicher Kräfte. Gleichzeitig geschieht ein großer Umbruch in den Wochen um Michaeli bezüglich der Sonnenkräfte, die auf die Erde und uns wirken: die Tageszeit verkürzt sich um ganze 6 Stunden! Die Natur tritt damit vollkommen in die Phase der „Sterbeprozesse“ ein: Was sich schon im Sommer durch die Blüte und Samenbildung vieler Pflanzen „leise“ ankündigt, kommt jetzt zu einem Endpunkt: Viele Pflanzen sterben nach der Fruchtbildung ab, die Blätter der Bäume fallen – die Natur bereitet sich für den „Winterschlaf“ vor.
Während sich die Natur zurückzieht und die Erde scheinbar zur Ruhe kommt, wirken die kosmischen Kräfte des Sommers und die Sonnenkräfte im Innern der Erde weiter – und so auch in uns Menschen, denn wir stehen stets mitten in ihnen.
Doch worum geht es für den Menschen in dieser Zeit genau? Während wir in der Frühlings- und Sommerzeit durch die vorhandenen kosmischen und Sonnenkräfte – ebenso wie die Natur – seelisch ganz im Umkreis leben, beginnt nun die Zeit des inneren Rückzugs. Dunkelheit und Kälte führen dazu, dass wir uns ins warme und heimelige Innere der Häuser zurück ziehen und zunehmend ein Bedürfnis nach Ruhe und Besinnung aufkommt.
Betrachten wir diesen Prozess jedoch genauer, so ist er verbunden mit innerer aktiver Arbeit: Es braucht Mut und Willenskraft, sich den Gedanken und Gefühlen zu stellen, welche nun in uns verstärkt aufkommen (können). Das Michaelifest und die Zeit danach stehen für die Möglichkeit des Menschen, die „geschenkten“ Kräfte des Sommers aufzugreifen und für sein eigenes Leben und das der Erde/Menschheit fruchtbar zu machen und umzuwandeln.
In der Waldorfschule hat dieses Fest seit Beginn an eine große Bedeutung. Wie lebensbejahend ist es doch, wenn wir den Kindern und Jugendlichen über dieses Fest ein Bild vermitteln können, in welchem - wenn wir unsere Ängste überwinden - Mut, Tatkraft und das Gute siegen!
B. Kaufmann